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Anmerkungen zur Ahmadinedschad-Rede in Genf

Günther Schenk - Jeudi, 22 avril 2009 - 16h28

Mittwoch 22. April 2009

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"...Following World War II, they resorted to military aggression to make an entire nation homeless on the pretext of Jewish sufferings. And they sent migrants from Europe, the United States, and other parts of the world in order to establish a totally racist government in the occupied Palestine… [Delegates walk out in protest. Applause]...

dies sind die von Präsident Ahmadinedschad tatsächlich auf der Genfer Konferenz gesprochenen Worte. Wenn er sagt „on the “ so ist daraus auf keinen Fall eine Holocaust-Leugnung herauszulesen. Anders wäre dies, wenn er gesagt hätte „on the pretext of (angeblicher) Jewish sufferings“ könnte man dies, hat er aber nicht gesagt. Nur Böswillige (oder Ignorante) können nun sagen, A. hätte den europäischen Judenmord geleugnet. Er hat dies übrigens schon früher unmissverständlich klargestellt. Zuletzt im (von sehr arroganten, ja unverschämten Spiegel-Reportern in Teheran geführt, vor wenigen Tagen) Auch ist aus keiner Stelle des Redetextes ein Wortgebrauch „Weltjudentum“ zu finden - und trotzdem wird dies von Kritikern seiner Rede vehement behauptet.

Wer sich nur ein wenig mit der Entstehungsgeschichte des jüdischen Staates beschäftigt, kann keinen Zweifel daran haben, dass der als
„koloniale Implantation in einem “ - so die Antwort eines hohen britischen Regierungsbeamten an den Leiter des jüd. Weltkongresses, lange vor Bekanntwerden der Massenmorde an Juden durch die Nazis und ihre Helfershelfer in Europa, geplant war. Wenn die junge, und von den damaligen Siegermächten übermächtig dominierte UNO im Jahr 1947, nach dem offensichtlichen Versagen der britischen Mandats-Verwaltung so schnell der Staatsgruendung zustimmte, so ist es keinesfalls übertrieben, wenn Ahmadinedschad nun von „pretext“ spricht, denn in der Tat war das kurz zuvor bekannt gewordene Verbrechen der Nazis für die jüdischen Organisationen, die die Staatsgruedung mit aller Gewalt vorantrieben, wie ein „gefundenes Fressen“ (auch wenn sich dies für unsere Ohren zynisch anhört, die Frauen und Männer um Ben-Gurion sahen dies in der Tat so). Wer, in der gerade dem Massensterben des Krieges entronnenen Welt hätte da, und ausgerechnet in der jungen UNO - mit ihren hohen ethischen Vorstellungen - dem Wunsch der Juden nach ihrem Staat, und damit physischer Sicherheit, entgegentreten wollen? Der Wille zur Staatsgründung in Palästina jedoch war ein gutes halbes Jahrhundert älter und die Nazi-Verbrechen nicht einmal bei deutschen und europäischen Juden überhaupt denkbar.

An die Palästinenser dachte dabei kaum jemand und die selbst hatten auch kaum eine Vorstellung davon, was dies Gründung als „jüdischer“ Staat schließlich für sie bedeuten würde. Daher der von ihnen gebrauchte Begriff für ihre Massenvertreibung 1948: Die Nakba (so, als wäre das Unglück schicksalhaft über sie hinein gebrochen - was der Wirklichkeit keinesfalls stand hält). Sie wurden - englischer Tradition folgend - missachtet, existierten sie doch in Wirklichkeit gar nicht (mit den Worten von Golda Meir.)

Die jüdischen Planer wiederum ließen die „Weltgemeinschaft“ sehr gern im naiven Glauben, den Zusagen einer „gerechten Lösung der Flüchtlingsfrage“ werde vom nun sich selbst als „juedisch“ - und damit alle anderen zu vernachlässigend und im Ziel ausschließend - bezeichnete Staat Folge geleistet. Daran dachte jedoch keiner der Handelnden. Nur weit blickende und humanistischer Ethik verbundene bekanntere Juden wie Albert Einstein, Hannah Arendt u.A. erkannten das Falschspiel der Handelnden und weigerten sich, dem Folge zu leisten. Die Weltgemeinschaft (selbst die damalig auf einige Mächtige reduzierte Staatengemeinschaft, die UNO) wurde also bereits bei der Staatsgründung an der Nase herumgeführt. Nichts Anderes sagt der iranische Staatspräsident. Man könnte so mit Fug und Recht behaupten, die Geschaeftsgrundlage die zur Staatsgruendung 1948 führte, sei mit der Proklamation zum Staat selbst bereits entfallen. So weit geht jedoch weder Ahmadindejad noch sonst jemand, z.B. auch nicht bei der Arabischen Liga. Dort ist man inzwischen viel bescheidener geworden und scheint selbst so abstruse Gebilde wie einen „Palästinenserstaat“ als Flickenteppich und auf weniger als 20 % von Palästina reduziert akzeptieren zu wollen. Nur die - aus gutem Grund von Israel ungeliebte - Hamas und die libanesische Hizbollah, als eigenständig palästinensische Parteien und Organisationen sind nicht bereit, die Idee des „ganzen Landes für all seine Bewohner“ aufzugeben - eine Idee, die nur den allzu demokratischen Grundsätze unserer Demokratien entsprechen würde. Außerhalb Palästinas ist da nur noch Iran, wohl auch Syrien, die auch weiterhin nicht bereit sind, sich aus kolonialer Tradition und auf ethnischen Vorstellungen fußender Vorherrschaft des „jüdischen“ Israels (und Herrschaft über die indigenen Bewohner, die Palästinenser) zu beugen. Wo bleiben da die europäischen Demokratien? Wo bleibt da deren langjähriger Kampf gegen jede Diskriminierung, gegen Segretationismus und Apartheid?

Einer der beiden Verfasser der 1948 in New York fast gleichzeitig mit der Staatsgründung Israels verkündeten Universellen Erklärung der Menschenrechte, der spaetere hohe französische Diplomat, jüdischer Überlebender mehrerer Konzentrationslager Stéphane Hessel (mit dem sehr seltenen Ehrentitel „Ambassadeur à Vie“ forderte nach Bekanntwerden der Massaker der israelischen Armee in Gaza (Dez.08-Jan.09) den sofortigen Ausschluss Israels aus den Vereinten Nationen.

Stéphane Hessel geht damit wesentlich weiter als Ahmadinejad, allerdings wagt niemand in der Welt, diesen großen Humanisten und Diplomaten derart zu verunglimpfen, wie dies von interessierter Seite Präsident Ahmadinejad angetan wird. Dass auch gutwillige Beobachter und politisch durchaus informierte Zeitgenossen ihr Urteil nicht aus dem tatsächlich Gesagten bilden, sondern unkritisch den Verleumdern Folge leisten, muss nachdenklich machen.

Günter Schenk