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Tageszeitung „Junge Welt“

Hamas-Boykott ein Verbrechen

Jörn Boewe

Mittwoch 31. Mai 2006

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Abgeordnete der Linken ziehen Bilanz nach Israel/Palästina-Reise

Die Boykottpolitik der deutschen Bundesregierung und der Europäischen Union gegenüber der palästinensischen Hamas-Regierung hat zu einer humanitären Katastrophe in den von Israel besetzten Gebieten geführt und muß dringend beendet werden. Dieses Fazit zogen die beiden Bundestagsabgeordneten der Linksfraktion Norman Paech und Wolfgang Gehrcke am Montag in Berlin vor Journalisten. Gehrcke und Paech hatten vom 22. bis 27. Mai Israel und Palästina auf Einladung der Meretz-Fraktion in der Knesset besucht, um sich ein aktuelles Bild der politischen Situation und Debatten zu machen.

»Die Blockadepolitik ist ein Verbrechen«, sagte Paech. Eine Million Menschen sei seit nunmehr einem Vierteljahr ohne Einkommen, die medizinische Versorgung in den ländlichen Gebieten sei weitgehend zusammengebrochen. »Der Boykott trifft die zunehmend verarmende Bevölkerung«, so Paech, »und nicht die Parteistrukturen der Hamas.« Es sei »vollkommen falsch, den Dialog mit der Hamas zu verweigern«, erklärte Paech an die Adresse von EU und Bundesregierung gerichtet.

Laut Paech und Gehrcke hat die Bundesregierung für das gesamte diplomatische Personal ein striktes Kontaktverbot mit der Hamas erlassen, die seit Januar in den Autonomiegebieten die Regierung stellt. Diese Linie nehme geradezu groteske Züge. an: Wo Kontakte mit der Autonomiebehörde aus praktischen Gründen unvermeidlich sind, müssen dafür private Vermittler auf freiberuflicher Basis angeheuert werden.

Gehrcke und Paech trafen sich mit Vertretern der Fatah, darunter dem Vorsitzenden des Politischen Ausschusses des Palästinensischen Parlaments, Abdulla Abdulla Mohammed, sowie Mustafa Barghouti, dem Vorsitzenden der Partei Palestinian National Intitative. In Israel gab es Gespräche u. a. mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Shaul Mofas (Kadima), dem Vorsitzenden der Meretz-Partei Yossi Beilin, dem Fraktionschef der kommunistisch geführten jüdisch-arabischen Friedensliste Hadash, Isam Machul, sowie Vertretern der Arbeitspartei. Darüber hinaus trafen sich die Parlamentarier mit dem Auswärtigen Ausschuß der Knesset und Vertretern des israelischen Außenministeriums. Auf jW-Nachfrage, warum die beiden keine Gespräche mit Vertretern der Hamas führten, sagte Gehrcke, »die ganze israelische Linke« und die Fatah hätten ihm davon »abgeraten«; Norman Paech ergänzte, er habe »keine Adressen« potentieller Ansprechpartner gehabt.

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