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L’eau, révélatrice d’un nouvel apartheid au Moyen Orient

Streit um das Wasser - Apartheid im nahen Osten

Lundi, 19 mars 2012 - 6h51 AM

Montag 19. März 2012

Traduction d’un extrait du tout récent et excellent rapport de Jean Glavany, ex chef de cabinet de François Mitterand de 81 à 88, ex Ministre de l’agriculture et élu PS du Sud-Ouest.

Michel Flament

Coordinateur

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Dieser Text ist einem Bericht an die französische Nationalversammlung entnommen (Details dazu weiter unten)

Die Apartheid, 1948 vom damaligen
Ministerpräsidenten Daniel François Malan gesetzlich
verankert, zementierte in Südafrika während eines
halben Jahrhunderts eine unterschiedliche
Entwicklung ethnischer Gruppen. Diese Politik trennte
die Rassen sowohl räumlich (Schaffung sogenannter
Bantustans für schwarze und "coloured"
Bevölkerungsgruppen) als auch rechtlich, indem die
Freiheiten eines Teils der Bevölkerung
(Bewegungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Einsatz
polizeilicher Gewalt) massiv verletzt wurden. Das
Apartheid-Regime wurde Anfang der 90er Jahre mit
der Befreiung Nelson Mandelas, dem mutigen
Kompromiss zwischen ihm und Ministerpräsident de
Klerk und schließlich mit den ersten freien Wahlen
beendet, die 1994 Mandelas Partei, den African
National Congress ANC, in einem Erdrutschsieg an
die Macht brachten.

Vergleiche hinken, und das Palästina der 2010er Jahre
ist nicht das Südafrika vor 1990. Doch es gibt Begriffe
und Symbole, die so aussagekräftig sind, dass sie als
Hinweis dienen können.

Denn alles deutet darauf hin, dass der Nahe Osten
heute Schauplatz einer neuen Apartheid ist, auch wenn
kaum jemand bereit ist, das Wort in den Mund zu
nehmen.
Die Trennung erfolgt zwar nach Rassen, aber man
spricht verschämt von "religiöser" Trennung. Aber ist
die Berufung auf einen "jüdischen" Staat etwa rein
religiös?

Die Trennung ist auch räumlich: Die neu gebaute
Trennmauer ist das beste Beispiel dafür, aber auch die
Einteilung des Westjordanlands in die drei Zonen A, B
und C:

Die israelische Armee hat der Palästinenserbehörde
die Verantwortung für zivile Aufgaben, sprich: die
Versorgung der Bevölkerung mit den nötigen
Dienstleistungen in den Zonen A und B übertragen.
Diese beiden Zonen, in denen fast 95% der
palästinensischen Bevölkerung der Westbank leben,
umfassen aber nur 40% des gesamten Gebietes. Zone
C steht indes weiterhin unter der alleinigen Hoheit der
israelischen Armee. Sie macht 60% der Fläche des
Westjordanlandes aus, und in ihr liegen das gesamte
Bauerwartungsland, der Zugang zu den
Grundwasservorkommen und alle wichtigen Straßen.
Die Trennung ist außerdem von Hochmut und
Herablassung ("diese Leute können keine
Verantwortung übernehmen", wiederholen gewisse
israelische Entscheidungsträger immer wieder), von
Belästigung und Demütigung (die Durchlasspraxis an
den Checkpoints ist willkürlich und undurchschaubar),
und manchmal von Gewalt (immer wider gibt es Tote
beim Vorgehen gegen Demonstranten) geprägt.
Es handelt sich also sehr wohl um eine "neue
Apartheid".
In dieser Situation spielt das Wasser im Konflikt
zwischen Palästinensern und Israelis eine besondere
Rolle. Es erhielt in den Abkommen von Oslo sogar ein
eigenes Kapitel (das fünfte). Die Erklärung von Oslo
vom 13. September 1993 anerkennt die Rechte der
Palästinenser an den Wasservorkommen im
Westjordanland. Das Interimsabkommen von Taba
vom 28. September 1993 sieht eine gemeinsame
Nutzung des Wassers bis zur Unterzeichnung eines
endgültigen Abkommens vor. Doch diese Aufteilung
ist unvollständig: Sie betrifft nur die sogenannten
Grundwasserleiter (wasserführende
Gesteinsschichten), während der Jordan
ausgeschlossen ist - die Palästinenser haben keinen
Zugang zu dessen Wasser. Außerdem friert dieser
Vertrag die bestehenden Nutzungen ein und verteilt
nur die verfügbare Restmenge, d.h. die 78 Millionen
Kubikmeter des östlichen Grundwasserleiters. Diese
Regelung ist sehr nachteilig für die Palästinenser, die
damit nur 18% der Grundwasserleiter nutzen, das sind
10% des auf ihrem Territorium vorhandenen Wassers.
Ohne echte politische Gesamtlösung ist daher schwer
vorstellbar, wie dieser Wasserkonflikt überwunden
werden soll.
Wie stellt sich dieser Wasserkonflikt im Einzelnen
dar? Er betrifft vor allem den Jordan, wo alle Faktoren
für eine offene "Wasserkrise" zusammenkommen: Seit
Beginn des Nahostkonflikts waren die "territorialen
Erweiterungen" Israels, nolens volens, immer auch
eine "Eroberung von Wasser", seien es Flüsse oder
Grundwasser führende Schichten.
Heute ist das Wasser im Nahen Osten mehr als eine
Ressource: Es ist zur Waffe geworden.
Um das Wesen dieser "Waffe" im Dienste der "neuen
Apartheid" zu verstehen, muss man beispielsweise
wissen, dass die 450’000 Siedler im Westjordanland
mehr Wasser verbrauchen als die 2,3 Millionen
Palästinenser.
Dazu kommt, um nur einige Beispiele zu nennen:
- bei Dürre wird den Siedlern völkerrechtswidrig
Vorrang eingeräumt;

- die Trennmauer ermöglicht eine Kontrolle der
Zugänge zu den unterirdischen Wasservorkommen
und verhindert die Entnahme durch die Palästinenser
in der "Pufferzone", wodurch das Abfließen nach
Westen erleichtert wird;

- die "spontan" von Palästinensern gebohrten Brunnen
im Westjordanland werden von der israelischen Armee
systematisch zerstört;

- in Gaza wurden die Wasservorräte im Krieg
2008/2009 gezielt bombardiert;

- die Zonen A und B hängen nicht zusammen, sondern
bilden einen Flickenteppich, der von israelischen
Siedlungen und von Straßen durchsetzt ist, die den
Siedlern vorbehalten sind; dadurch ist der Aufbau
einer leistungsfähigen Infrastruktur zur Wasserverund

- entsorgung erschwert. Die meisten Palästinenser
leben in den Zonen A und B, doch die Infrastruktur,
von der sie abhängen, befindet sich in der Zone C oder
durchquert sie. Die Palästinenser dürfen sich in Zone
C entweder nur eingeschränkt oder gar nicht bewegen,
und die israelische Armee bewilligt nur selten Bauund
Sanierungsarbeiten. So gibt es mehrere vom
palästinensischen Wasserministerium geplante
Kläranlagen, deren Bau von der israelischen
Verwaltung "blockiert" wird.

Israel wirft den Palästinensern vor, dass sie aus
unkontrollierten Brunnen zu große Mengen Wasser
abpumpen und daß dadurch die
Grundwasservorkommen versalzen. Sie nennen Gaza
als Beispiel, wo ein Grundwasserleiter kurz davor ist,
unbenutzbar zu werden. Auch monieren sie die
fehlende Wasserwirtschaft. Nur 31% der Palästinenser
seien an eine Kläranlage angeschlossen. Doch der
zuständige Ausschuss hat nur 50% der
palästinensischen Projekte genehmigt, und das mit
massiven Verzögerungen; und diese Bewilligungen
bedürfen in Zone C einer zusätzlichen administrativen
Genehmigung. Die Aneignung der Ressourcen durch
die Siedlungen und den Mauerverlauf ist ebenfalls
besorgniserregend. Die Übernutzung der
Grundwasservorkommen ist nachgewiesen.
Die Israelis stützen sich dabei auf die Theorie der
ersten Besitzergreifung und verweigern, aus ihrer rein
sicherheitspolitischen Sicht auf die Wasserfrage
heraus, jede Form eines gemeinsamen
Wassermanagements. Die Arbeitsgruppe hatte den
Eindruck, dass das Land eher die Grundwasserleiter
aufgeben und die Entsalzung vorantreiben als ein
gemeinsames Wassermanagement ins Auge fassen
würde. Eine gemeinsame Nutzung des Wassers wird
ohne eine politische Lösung zur gemeinsamen
Nutzung des Bodens nicht möglich sein.

Dabei war im Zuge des zweiten Osloer Abkommens
ein gemeinsamer Wasserausschuss (Joint Water
Committee) eingerichtet worden. Er ist für alle
Wasserfragen zuständig, die allein die Palästinenser
auf dem Gebiet des Westjordanlands betreffen. Es
handelt sich also nicht um ein Gremium zur
gemeinsamen Verwaltung von Wasserressourcen,
geschweige denn des Wassereinzugsgebiets. Zudem
muss er seine Entscheidungen einstimmig fällen, was
Israel de facto ein Vetorecht einräumt.
http://www.assemblee-nationale.fr/13/rapinfo/
i4070.asp#P1024_323634
Informationsbericht vom 13.12.2011 an die
französische Nationalversammlung
Dieser wurde vorgelegt von der Kommission für
Auswärtige Angelegenheiten auf der Grundlage der
Ergebnisse der Untersuchungskommission über die
“Geopolitik des Wassers”, die am 5.10.2010 gebildet
wurde.
Präsident der Kommission: Lionnel LUCA
Berichterstatter: Jean GLAVANY
Weitere Mitglieder der Kommission: Nicole Ameline,
Jacques Bascou, Claude Birraux, Alain Bocquet,
Gilles Cocquempot, Jean-Claude Guibal, Jean-Pierre
Kucheida, Renaud Muselier et Jean-Marc Nesme.
http://www.assemblee-nationale.fr/13/rapinfo/
i4070.asp

Übersetzung: coorditrad / Korrektur: Thomas
Steinberg.

Die Kommission besteht aus 6 Mitglieder der UMP, 4 der
PS und einem der KPF