Startseite > Rubriques > Languages - International > Deutsch > Im Terrorsumpf

Junge Welt Zeitung

Im Terrorsumpf

Dienstag 25. April 2006

19.04.2006 / Ausland / Seite 7

Libanon: Der Westen schweigt weiter zum Attentatskomplott gegen Hisbollah-Chef Nasrallah

Von Jürgen Cain Külbel

Die Akteure im weltweiten «Kampf gegen den Terror schwiegen auch in den vergangenen Tagen ob die UNO in New York, ob Washington oder Brüssel. Für Libanons Militärgeheimdienst fiel kein Lob ab, obwohl dieser in den Tagen seit dem 8. April, als die ersten Komplottbeteiligten verhaftet wurden (siehe jW vom 12.4.), ein ansehnliches Terrornetzwerk ausgehebelt hat. Unbehagen dürfte im Westen verursachen, dass jene «Terroristen» - so der libanesische Innenminister Ahmad Fatfat - den Generalsekretär der schiitischen Hisbollah, Nasrallah, ins Visier genommen hatten. Schließlich stehen dieser und seine Miliz im US-Katalog der Terrororganisationen.

Nasrallah, so die libanesische Tageszeitung As Safir, sollte samt gepanzertem Fahrzeug am 28. April in Beirut durch Raketenbeschuss in die Luft gesprengt werden. Die Vernehmungen von fünfzehn Delinquenten durch Militärrichter Rashid Mizher ergaben, dass mindestens 90 Personen in die Vorbereitung des Verbrechens involviert waren: Einige Täter sollen über einen Zeitraum von 40 Tagen Nasrallahs Konvoi observiert haben. Andere funktionierten eine Garage zum Waffenlager um, in dem sie US-amerikanische Raketen, russische Maschinengewehre und chinesische Handgranaten horteten. Die Täter bemühten sich zudem um «C-4»-Sprengstoff und andere Explosivstoffe, da sie die Ermordung anderer Persönlichkeiten sowie Sprengstoffanschläge, auch auf Moscheen, geplant hatten. Das bestätigte Hussein Rahal, Sprecher der Miliz, in der vergangenen Woche gegenüber AFP.

Die nunmehr Inhaftierten waren im Besitz von Waffenscheinen, die aus dunklen Quellen innerhalb der Regierungspartei stammen: Demnach verschaffte ein ehemaliges Parlamentsmitglied des «Future Movement (FM)» den Tätern offenbar Waffenlizenzen verschiedener Kategorien. Das FM wird von Saad Hariri geleitet, dem wichtigsten Verbündeten der USA und Sohn des am 15. Februar 2005 ermordeten libanesischen Exministerpräsidenten Rafik Hariri. Bei dem FM-Mitglied soll es sich um Salim Diyab handeln, vormaliger Wahlkampfchef von Hariri Junior und ehemals engster Freund des ermordeten Seniors. Offenbar verteilt dieser seit Juli 2005 Waffen unter seinen Gefolgsleuten.

Auch ein Mitglied der drusischen Sozialistischen Fortschrittspartei, Koalitionspartner der FM, wurde festgenommen. Chef der Organisation ist Walid Dschumblatt, ein Protagonist der Zedernrevolution, die nach dem Mord an Hariri in Zusammenarbeit vor allem mit den USA freie Wahlen im Libanon und den Abzug der Syrer erzwang. Dschumblatt und Hariri, die nie eine Gelegenheit auslassen, Damaskus als Drahtzieher für das Verbrechen anzuprangen, geraten nun selbst ins Zwielicht.

Die Zerschlagung des Netzes hat dem Land vorerst innenpolitische Unruhen erspart. Die Gruppe, die sich selbst «Anhänger des Anrufes und der Botschaft» nennt, wollte durch die Ermordung Nasrallahs, so verlautete aus libanesischen Sicherheitskreisen, sektiererische Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten schüren.

Präsident Emile Lahoud verlangte eine detaillierte Untersuchung und warnte davor, die Einheit des Libanon aufs Spiel zu setzen. Nasrallah, so Lahoud, habe einen wesentlichen Beitrag zur Befreiung des Südens von der israelischen Besetzung geleistet und stets für den nationalen Frieden gearbeitet.