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ZENSUR IN FREIBURG ( Constat, suivi d’une lettre ouverte de protestation au Maire de la ville de Fribourg en Breisgau, par Günter Schenk))

STADT VERTREIBT die AUSSTELLUNG + Offener Brief von Günter Schenk

Vendredi, 5 novembre 2010 - 7h36 AM

Freitag 5. November 2010

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- STADT VERTREIBT die AUSSTELLUNG
DER VERTRIEBENEN!!!

Von: Dr. Gabi Weber []

„(1)
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“
(Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 5)

Ein weiteres düsteres Kapitel in der Geschichte der deutschen Meinungsfreiheit und Demokratie geht heute zu Ende.
Die Stadt Freiburg hat durch eine Mitarbeiterin des zuständigen Dezernats II,
mitteilen lassen, dass die NAKBA-Ausstellung, die am 12.11.10 in der
Stadtbibliothek Freiburg unter der Schirmherrschaft der Holocaust-Überlebenden Hedy Epstein eröffnet werden sollte, nicht in städtischen Räumen stattfinden wird.

Offizielle Begründung: „Es ist zwar alles richtig, was dort gesagt wird, aber es fehlen einige Aspekte“ (Mitarbeiterin des Dezernats II). Ein „runder Tisch“ mit Teilnehmerinnen der Stadtbibliothek, des Pressereferates, des Rechtsamtes sowie des Schuldezernats, dem die Stadtbibliothek untergeordnet ist, befand heute, dass die Stadt - immerhin neun Tage vor der Eröffnung und nach Drucken und Veröffentlichen der Programme - ursprünglich gemachte Zusagen nicht einhalten würde. Und dies obwohl alle nötigen Unterlagen (inclusive des Begleitkataloges der Ausstellung mit ALLEN Postern und deren gut lesbarem Inhalt) bereits seit Mitte September vorgelegen hatten, die Veranstalterin auf möglichen „Gegenwind“ aus bestimmten Kreisen aufmerksam gemacht hatte und die Zustimmung des Dezernats II als übergeordneter Behörde durch die Stadtbibliothek eingeholt worden war.

Der im Pressereferat der Stadt für die Veröffentlichung des Freiburger
Amtsblattes zuständige Mitarbeiter fühlte sich nach Erhalt des fertig
gedruckten Stadtbibliothek-Programms, dazu berufen, dafür zu sorgen, dass
- ganz im Sinne der Israellobby - der Bildungsauftrag der Stadt, was die
Darstellung des Nahostkonfliktes angeht, erfüllt wird. Um diesem
großen Auftrag gerecht zu werden, scheute er auch nicht davor zurück, die
Schirmherrin der Veranstaltung, Hedy Epstein, als Teilnehmerin einer
terroristischen Vereinigung (Free Gaza) zu betiteln. Diese Aussage wiederholte er in einem Telefonat, mit Evelyn Hecht-Galinski. In einem geistigen Höhenflug bezeichnete der gleiche Pressereferatsmitarbeiter E. Hecht-Galinski als „benutzte Jüdin“.

Mehrfache Versuche, die zuständigen Personen des Dezernats telefonisch zu erreichen, wurden dadurch unterbunden, dass man mitteilte, die entsprechenden Gesprächsteilnehmer würden sich NACH der Entscheidung am runden Tisch telefonisch melden. Somit ist das Verfahren des „Runden Tisches“ in unserem Fall ein nur scheinbar demokratisches Verfahren, denn die Veranstalter (Cafe Palestine Freiburg) wurden ausgeschlossen und man weigerte sich, ihre Argumente zur Kenntnis zu nehmen. Den Mitarbeitern der Stadtbibliothek wurden Äußerungen zur Sachlage untersagt.

Die Verantwortlichen im Freiburger Rathaus sollten aufhören, ihre Augen vor der Tatsache zu verschließen, dass in der deutschen Öffentlichkeit bisher in aller Regel die Ereignisse des Jahres 1948 einseitig aus zionistischer bzw. israelischer Sicht dargestellt werden. Die NAKBA-Ausstellung zielt darauf, diese Einseitigkeit zu überwinden und einen Impuls zur längst fälligen Auseinandersetzung mit dem verdrängten Leiden der Palästinenser zu geben. Doch ohne die Kenntnis und ohne eine gebührende Anerkennung dieser Seite des Konflikts werden Aussöhnung, Gerechtigkeit und Frieden im Nahen Osten keine Chance haben.

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Offener Brief

Sehr geehrter Herr Salomon,

wenn ich die home-page von Freiburg anschaue und dann „Oberbürgermeister“ anklicke, schaut mir ein freundlicher, offener Dieter Salomon entgegen; mir wird darüberhinaus mitgeteilt, Freiburg im Breisgau sei Klimahauptstadt 2010. Beide Mitteilungen machen Hoffnung: ein offenes, freundliches Gesicht des OB und das verdiente Klimalob.

Nun aber hat sich mein Bild vom „guten Klima und dem freundlichen, offenen Oberbürgermeister“ dieser schönen Stadt getrübt. Gehört zu einem guten Klima nicht auch das bürgerliche Stadtklima? Als guter Kenner der von Ihnen als „einseitig“ bezeichneten NAKBA-Ausstellung und deren Begleiter von Anfang an, war ich auch zur Tübinger Ausstellungseröffnung aus Straßburg angereist. Diese wurde vom untadeligen, von vielen unter uns als die moralische Größe angesehenen Professor Ernst Tugendhat eröffnet.

Obwohl Ihnen dringende Amtsgeschäfte sicher sehr wenig Zeit zum Nachlesen von Reden Anderer lassen, bitte ich Sie doch, diese wichtige Rede nachzulesen. Hier ist der entsprechende Link:

http://www.radio-utopie.de/2010/06/21/eroffnungsrede-von-prof-dr-ernst-tugendhat-zur-nakba-ausstellung-in-tubingen/

Wenn Tugendhat sagt (Zitat):

„...Es ist ferner ein Verdienst der Ausstellung, dass sie rein deskriptiv ist und alle wertenden Stellungnahmen vermeidet. Von Unrecht ist nirgends die Rede. Nur ich, der ich nur Schirmherr bin, und nicht zu den Verfassern gehöre, erlaube mir, solche wertenden Folgerungen zu ziehen...“.

So erscheint Ihre - oder Ihrer Untergebener - Entscheidung, die Ausstellung in Räumen der Stadtbibliothek Freiburgs wegen Einseitigkeit zu verhindern, grotesk. Könnte es sein, dass Sie, Tugendhats Logig folgend, Angst vor ähnlichen Schlussfolgerungen haben ? Psyschologen kennen derartige Vorgänge. Wie soll über Verbrechen - so sie einmal zweifelsfrei aktenkundig sind - anders als einseitig berichtet werden ? Allein Rolle eines Richters wäre es, auch die Seite des Täters anzuhören. Beschuldigt wird aber (siehe Tugendhat) in dieser Ausstellung niemand. Die Ausstellung ist schließlich kein Tribunal, sondern dient alleine der geschichtlichen Erinnerungsarbeit.

Nun kommt, und das ist für mich ein erschwerender Vorwurf an Ihre Entscheidung der - dazu sehr kurzfristigen - Verweigerung der geeigneten Raumnutzung in der Stadtbibliothek, wollen Sie sich wirklich der Leugnung vergangener Verbrechen der ethnischen Säuberung, im Falle Palästinas vorausgegangener Ermordung ganzer Dorfgemeinschaften, schuldig machen ? Ich muss hier nicht auf andere Leugner verweisen, allerdings werden Andere dies sehr schnell tun und Sie werden dem dann ggf. wenig entgegenzusetzen haben.

Geschichtsleugnung insgesamt, das zeigt gerade die jüngere deutsche Gescchichte, hat wenig Aussicht auf
Bestand. Nun, da Sie einmal Ihre Entscheidung getroffen hatten, haben Sie (der „guten Form“ wegen ?) einen „Runden Tisch“ einberaumt. Einen Runden Tisch, ohne Teilnahme der wichtigsten anderen Partei. Das hat sich sogar die DB AG in Stuttgart bisher noch nicht geleistet !

Spätestens hier fehlen mir die Worte. Die Stadt Freiburg veranstaltet - und dies mit Recht und man kann es auf Ihrer Homepage nachlesen - zahlreiche Erinnerungsarbeiten, die uns an Ungeheurlichkeiten aus einer dunklen Zeit unseres Landes erinnern. Was würden Sie jemandem sagen, der Ihnen da „Einseitigkeit“ vorwürfe ? Sie würden sie oder ihn zurückweisen und die Frage nicht einmal mit ihm oder ihr erörtern. Ganz zu recht!

Nun kommen, und mir liegen glaubwürdige Aussagen von Untergebenen aus Ihrem Haus vor, die auf besonders unappetitliche Weise Israel-kritische Juden in den Schmutz ziehen. Damit sind nun alle Grenzen überschritten: will die Person die gebrauchten Worte (sie sind Ihnen bekannt und ich weigere mich, diese hier zu wiederholen) auch auf die mehrere hundert (an die 500) britische Jüdinnen und Juden beziehen, die ihrer Wut und ihrem Unmut über ihre angemaßte Vereinnahme durch den Staat Israel in einer ganzseitigen Anzeige in der Londonder Times kundtaten ? (unter ihnen war die hochgeschätzte Lady Ellen Dahrendorf, Ehefrau des kürzlich verstorbenen Ralf Dahrendorf)

Hier ist offensichtlich ein subalterner Mitarbeiter Ihres Rathauses ausgerastet, und Sie, als Dienstvorgesetzter können sicher nichts anders tun, als sich für unglaubliche Beschimpfung - Opfer ist Frau Hecht-Galinski, die mit ihrem ebenfalls jüdischen Ehemann unweit Freiburgs im Markgräfler Land wohnt - förmlich zu entschuldigen.

Was aber tun, in der unsäglichen Frage des Raumentzuges an die NAKBA-Ausstellung, ohne den Ruf Ihrer
Stadt weiter zu beschädigen ? Ich weiß es nicht, weiß allerdings, dass, sollten Sie nicht einen einigermaßen
erträglichen Ausweg aus der von Ihnen allein zu verantwortenden Sackgasse finden, auch Ihr Amt und Sie persönlich, sehr geerhrter Herr Salomon, nicht unbeschädigt aus dieser Affaire herauskommen werden. Ich denke, dass Ihnen da ein für alle - auch für den OB Freiburgs - ehrenhafter Ausweg einfallen wird, einfallen muss.

Mit freundlichen Grüßen

Günter Schenk
1a rue des Aveugles
F-67000 Strasbourg

- membre du „Collectif Judéo Arabe et Citoyen pour la Paix“ Strasbourg