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Von Elisabeth Wöckel

Verschlossene Augen

Nicht mehr ganz dicht/ SZ vom 29/30.Oktober /Plädoyer gegen die Ignoranz von Heribert Prantl

Sonntag 13. November 2005

Leserbriefe, SZ. vom 10. November, S. 4

Wir verschliessen die Augen vor der afrikanischen Katastrophe an unseren Grenzen.
Schon lange frage ich mich, welcher Teufel uns eigentlich reitet, so selbstvergessen zu handeln. Der Kontinent Afrika und seine Menschen ist sicher die Spitze des Eisbergs unserer Ignoranz.
Ich kenne Afrika aus der Perspektive der Deutschen Botschaft im Senegal und den Nachbarländern.
Nach meinem Eindruck beginnt Afrika aber in Palästina. Ich kenne die Problematik aus eigener Erfahrung in arabischen Ländern.
Nicht nur Afrika strandet vor unseren Grenzen und mitten unter uns. Noch eine andere Zeitbombe tickt unaufhörlich innerhalb unserer eigenen Grenzen:
Die Verweigerung eines Palästinensischen Staates für jene Menschen, die tagtäglich vom israelischen Staatsapparat von ihrem Eigentum verjagt oder ohne Gerichtsverfahren auf Vermutung hin, getötet werden.
Die Gründung Israels war nach der UN Charta von 1948 an die Gründung eines Palästinensischen Staates gebunden. Das Existenzrecht Israels wird heute von keinem ernsthaften Menschen in Frage gestellt, auch nicht von Arabern. Ich erinnere an die Saudische Initiative und an die Konferenz von Beirut vor zwei Jahren. Nichts ist geschehen um den Palästinensern zu ihrem Recht zu verhelfen, Europa sieht zu.
Seit 57 Jahren sehen wir zu, wie diese Menschen um Ihren Staat kämpfen, seit 57 Jahren schweigen wir zu allen militärischen Aktionen Israels, beklagen aber den zunehmenden Terrorismus von Palästinensern und “Islamisten".
Unsere Innenpolitik und Staatsdoktrin ist geprägt vom Kampf gegen den Terrorismus, von Polizei-und Militäraktionen der “zivilisierten Welt" gegen die “islamischen Barbaren", wir verteidigen uns am Hindukusch ohne zu fragen, was die Ursachen sind für den Terrorismus, wir sind abgestumpft, sehen nichts mehr.
Dabei werden in einem Aufwasch die flüchtigen Afrikaner an unseren Grenzen gleich miterledigt.
Es geht ums Geld, ums Teilen und um die Moral. Das 57 Jahre lange Wegsehen auf das Unrecht an den Palästinsern hat uns alle blind gemacht, abgehärtet für das Leid anderer Menschen, es hat uns alle moralisch korrumpiert, uns Deutsche in besonderer Weise.
Wo liegt unsere Zukunft, die Zukunft Europas, wenn wir nicht mehr dazu in der Lage sind, zu den Werten Europas, zur Aufklärung und zur Fränzösischen Revolution zu stehen, zur Basis unserer Demokratie, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit?
Der kollektive Verrat an Recht und Gerechtigkeit gegenüber den Palästinensern und Afrikanern führt letztlich zur inneren Aushöhlung der Gesellschaft und zur Selbstzerstörung.
Elisabeth Wöckel, Ansbach
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