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Zirkelschluss (ndlr)

Mit Freunden wie diesen

vom Gideon Levy

Sonntag 30. März 2008

Gideon Levy, 23.3.08

Die enorme Unterstützung für Israel, die in diesen Tagen gezeigt wird, ist schon fast peinlich. Die Parade hoher Gäste und der herzliche Empfang, den israelische Staatsmänner im Ausland erhalten, war so schon länger nicht mehr gesehen worden. Wer ist nicht alles in letzter Zeit gekommen? Von der deutschen Kanzlerin bis zu den führenden Spitzenrennern der amerikanischen Präsidentenwahlen. Und der Generalsekretär der UN ist auf dem Weg. Ein Besuch nach Israel ist für ausländische Politiker obligatorisch geworden. Wenn man noch nicht hier gewesen ist, dann ist man nirgendwo.

Die Besucher werden natürlich zur Yad Vashem- Holocaust-Gedenkstätte mitgenommen, zur Klagemauer und jetzt auch nach Sderot – die neue nationale Pilgerstätte. Wenige machen auch einen flüchtigen Besuch in Ramallah; keiner geht in den Gazastreifen. Und alle haben nur Lob für Israel auf den Lippen. Kein kritisches Wort über die Besatzung oder über Israels gewalttätige Operationen in den besetzten Gebieten, über die Belagerung und die Hungersnot – abgesehen von ein paar Ausnahmen: ein paar vage Bemerkungen über die Notwendigkeit für eine Lösung. Israel quetscht die informationelle Sderot Zitrone so weit wie möglich aus.

Mit der Mischung von Sderot und Holocaust, der internationalen Islamophobie und der Hamasherrschaft im Gazastreifen haut das ganz schön hin. Seit den Oslo-Abkommen hatte Israel nicht in seiner Außenpolitik nicht soviel Erfolg. Nach den Erklärungen unserer ausländischen Gäste und unserer Gastgeber im Ausland wird kein anderer Staat so geliebt wie wir. Ein Staat, der eine Belagerung verhängt, die hinsichtlich seiner Grausamkeit fast einmalig in der Welt von heute ist, ein Staat, der eine offizielle Politik des Tötens praktiziert, wird von der Völkerfamilie umarmt, als ob wir nach den Worten vieler Staatsmänner , die unsere Schwelle überschreiten, beurteilt werden.

Das ist natürlich angenehm, diese Welle der Unterstützung zu feiern – aber es ist eine Illusion. Die öffentliche Meinung in den meisten Ländern, deren Führer all das Lob auf uns häufen, stimmt nicht in dieses Lob mit ein. Israel bleibt ein Staat ohne Anerkennung, zuweilen sogar ausgestoßen und verachtet. Die Welt sieht über das Fernsehen Bilder aus dem Gazastreifen – Sderot sieht im Vergleich dazu wie ein Urlaubsort aus – und sie zieht ihre eigenen Schlussfolgerungen. Das natürliche Gefühl für Gerechtigkeit, das Unterstützung für den Freiheitskampf des unterdrückten Volkes wie das des tibetanischen diktiert, diktiert auch natürliche Unterstützung für den palästinensischen Befreiungskampf. Dass der Kampf sich nun auch noch zwischen dem palästinensischen David und dem israelischen Goliath abspielt, muss man der Geschichte hinzufügen. Mit Ausnahme der USA ist die Welt tatsächlich gegen uns – wenn man von den Staatsmännern absieht. Deshalb müssen wir nicht der Illusion nachgeben. Die augenblickliche Runde offizieller Unterstützung für uns ist keine wirkliche und ernstgemeinte.

Ebenso wenig ernst gemeint ist die Idee, dass blinde, bedingungslose Freundschaft, wirkliche Freundschaft ist. Die Unterstützung für Israel als einem gerechten Unternehmen, das von den meisten Ländern des Westens ( sogar) noch ausgebaut wird, bedeutet nicht, dass all seine Kaprizen akzeptiert werden. Ein wahrer Freund Israels, einer der sich wirklich um sein Schicksal Sorgen macht, ist nur der Freund, der es wagt, scharfe Kritik an seiner Besatzungspolitik auszuüben, die das größte Risiko für seine Zukunft bedeutet – und der praktische Schritte unternimmt, um sie zu beenden. Die meisten „freundlichen“ Staatsmänner verstehen dies nicht.
Die Haltung der europäischen Führer ist besonders verblüffend. Wir sprechen hier nicht über die USA mit seinen jüdischen und christlichen Lobbys, sondern eher über das selbstherrliche Europa; es hat auch seine Fähigkeit verloren, als ehrlicher Vermittler zu handeln, der Typ, der seinen Einfluss ausübt, um den Konflikt, der es auch gefährdet, zu einem Ende zu bringen. Wir brauchen Europa – der Frieden braucht Europa. Doch das offizielle Europa verschließt seine Augen und geht automatisch konform mit den USA, unterstützt blind Israel und boykottiert den Gazastreifen. Angela Merkel, die letzte Woche hier solch einen königlichen Empfang erhalten hat, sprach keine strittigen Themen in ihrer Rede in der Knesset an. So ist ihre „historische“ Rede zu einer nichtssagenden Rede geworden.

Dasselbe Verhalten wurde auch von ihrem Kollegen in der europäischen Führung, vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, während des Besuches von Präsident Shimon Peres in seinem Land zur Schau gestellt. Die israelischen Flaggen wehten entlang der Champs-Elysees und der israelische Stand, von dem auf der Pariser Buchmesse so viel die Rede war, konnte die Tatsache nicht verbergen, dass viele französische Bürger mit der Besatzung nicht einverstanden sind. Indem man über die Belagerung des Gazastreifens und die dort verhängte Hungersnot nicht spricht und auch nicht über das Töten von Hunderten seiner Bewohner, kommen Europas verantwortlich Regierenden ihren politischen Verpflichtungen nicht nach. Diejenigen, die glauben, dass nur eine ehrliche internationale Intervention der Besatzung ein Ende bringen kann, sind verzweifelt und enttäuscht. Ja, Europa, genau jener Kontinent, der zu recht wegen des Holocaust Schuldgefühle hat, sollte einen anderen Weg finden, um Israel zu Hilfe zu kommen. Versüßte Besuche und liebliche Reden drücken eher eine tiefe Verachtung gegenüber Israel und gegenüber der europäischen Meinung aus.

Diese blinde Freundschaft macht es Israel möglich, das zu tun, was es will. Die Zeiten sind vorbei, in denen jeder Wohnwagen, der in den besetzten Gebieten aufgestellt und jede gezielte Tötung aus Furcht vor internationaler Kritik sorgfältig beobachtet wird. Diese Zeiten sind vorbei. Israel hat eine Carte blanche fürs Töten, Zerstören und Siedeln. Die USA haben vor langem die Rolle des ehrlichen Maklers aufgegeben und Europa folgt nun in seinen Fußstapfen . Das ist deprimierend. Mit solchen Freunden braucht Israel fast keine Feinde.

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