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Von: Esther Thomsen

Bürgerkrieg

Sonnabend 16. Juni 2007

Gesendet: Freitag, 15. Juni 2007 00:18

An: Angela Merkel

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Minister Steinmeier,

die Katastrophe war vorhersehbar! Die Einheitsregierung hat keine Unterstützung erfahren. Ihre Minister haben vergeblich als Bittsteller bei den europäischen Staaten vorgesprochen, um die Wiederaufnahme der seit Februar 2006 verweigerten Zahlungen zu erbitten.

Über ein ganzes Volk hat man Kollektivstrafen verhängt, weil es demokratisch, aber nach Meinung von USA und Israel „falsch“ gewählt hat. Durch die Ausgrenzung der Hamas und das Embargo - auch gegenüber der Einheitsregierung - war der Misserfolg vorprogrammiert. Der Informationsminister Mustafa Barghouthi sprach heute im BBC-Interview von der Mitverantwortung der Weltgemeinschaft am Kollaps der Einheitsregierung, die weder finanzielle noch ideelle Unterstützung bekommen habe. Dies und die 40jährige Besatzung mit den Enteignungen und Zerstörungen, die zu wirtschaftlichem Niedergang, Verarmung und Verzweiflung geführt habe, sowie das Einfrieren der 800 Millionen Dollar, die Israel aus Zoll- und Steuereinnahmen den Palästinensern schuldet, seien die Ursachen für den Zusammenbruch.

Als Gipfel des Zynismus erscheint es mir da, dass selbst eine renommierte Zeitung die Schuld dafür den Palästinensern zuschieben will: es zeige sich wieder einmal, dass die Palästinenser nicht fähig seien, sich selbst zu regieren.

In der Erklärung des Nahostquartetts vom 30. 5. 07 wird zwar die Zahlung der zurückgehaltenen Gelder behutsam angemahnt, ja man kommt Israel so weit entgegen, dass man vorschlägt, den Transfer der Gelder über den Vorläufigen Internationalen Mechanismus in Betracht zu ziehen, denn man kann Israel ja nicht zumuten, Gelder an eine Regierung auszuzahlen, an der die Hamas beteiligt ist!

Schon jetzt sprechen Analysten vom großen historischen Fehler der Europäer, die Hamas nicht anerkannt zu haben. Die Spaltung wurde von der Bush-Regierung vorangetrieben durch die einseitige Bewaffnung und Ausbildung der Fatah Sicherheitskräfte, die in Gaza unter dem Kommando des zwielichtigen Mohammad Dahlan standen, der der Hamas den Kampf angesagt hatte, von Dr. Tamimi (BBC) als Anführer einer Gangsterbande bezeichnet wurde und jetzt untergetaucht ist. Die in Gaza siegreiche Hamas spricht von einer 2. Befreiung Gazas, diesmal von Verrätern und Kollaborateuren.

Ich habe Ihnen den Artikel, der gestern in „The Guardian“ veröffentlicht wurde zugeschickt mit der Kritik des früheren Nahostgesandten der Vereinten Nationen Alvaro de Soto an Israel, den USA und allen Mitgliedern des Nahostquartetts, die sich von beiden einschüchtern ließen mit „verheerenden Konsequenzen“ für das palästinensische Volk. Dieser Meinung schließe ich mich an.
Jedenfalls halte ich die Einstellung der humanitären Hilfe für einen Schritt in die falsche Richtung, weil wieder die nicht militante Bevölkerung die Leidtragenden sind.

In der ARD wurde gestern und heute von Richard Chaim Schneider die islamistische Gefahr beschworen, im Norden die Hisbollah, im Osten der Iran und im Süden die Hamas, die alle ein einziges Ziel haben: Israel zu vernichten und außerdem möchte die Hamas angeblich aus allen moderaten arabischen Staaten einen einzigen Gottesstaat machen! (Israel könnte sich daher zu einem neuen Krieg gezwungen sehen.) Hoffentlich nicht!

Leider hat man der Hamas keine Gelegenheit gegeben ihren Friedenswillen zu beweisen, Es ist dennoch unredlich, die Hamas auf ihre Charta von 1988 festzulegen. Sie hat sich gewandelt, auch wenn leider die Militanten im Augenblick das Bild bestimmen. Wenn wir jedoch mit noch weitergehendem Boykott antworten, laufen wir Gefahr statt mit der gemäßigten Hamas, es mit Extremisten zu tun zu bekommen, in deren Arme wir die verzweifelten Menschen treiben, die den Glauben an Menschenrechte und Demokratie verloren haben. - Die Mehrheit der Palästinenser hat 2006 sich nicht für radikale Islamisten entschieden, sondern für eine Partei, die sich 2005 mit dem fortschrittlichen Wahl-Manifest:"Change and Reform" vorgestellt hat.

Ich hänge für Sie den Artikel „What Hamas really wants“ an.
Hoffentlich gelingt es den arabischen und europäischen Staaten eine Verständigung zwischen Fatah und Hamas zu erreichen.
Ich hoffe, dass Sie die arabische Initiative nicht nur „begrüßt“ haben, sondern sich auch weiterhin für ein Ende der 40jährigen Besatzung und einen lebensfähigen Palästinenserstaat einsetzen. Wir haben auch gegenüber den Palästinensern eine Verantwortung!

Mit freundlichen Grüßen
Esther Thomsen

Esther Thomsen
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