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Lettre ouverte à Mme Angela Merkel

„...Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen!...“

von Günter Schenk

Sonntag 11. Februar 2007

Sehr geehrte Frau Dr. Merkel,

ich beschuldige Sie und Ihren Außen-, sowie Verteidigungsminister, ohne Not unser Land, knapp 60 Jahre nach Ende des schrecklichsten aller selbst verschuldeten Kriege der Neuzeit, erneut in einen Krieg geführt zu haben.

Glauben Sie mir bitte: ich bin nicht allein, viele Tausende und abertausende meiner, Ihrer Landsleute erschaudern beim Gedanken, durch Sie und ihre Regierung,
„abgesegnet“ von einem Verantwortungs-Vergessenem Parlament, nicht nur daran teilzunehmen, Krieg in ein fernes Land, über seine Menschen zu bringen, sondern damit auch diesen Krieg in unser eigenes Land hineinzutragen.

Mir fehlen die Worte! Das haben wir, das Volk unter Ihrer gewählten
Regierung, nicht verdient.

Unsere Eltern haben uns gelehrt und dies in das Grundgesetz geschrieben:
Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen!
Sie, sehr geehrte Frau Dr. Merkel, haben meines Wissens keine Kinder, wie aber soll ich meinen vier Söhnen erklären, dass die deutsche Bundeskanzlerin und ihre Regierung diesen heiligen Schwur aller unserer Mütter und Väter bereit sind, zu verraten?

Günter Schenk
5 rue des cigognes
F-67930 Beinheim
- membre du „collectif judeo-arabe et citoyen pour la paix“ Strasbourg
- Mitglied der Deutsch-Arabischen Gesellschaft
- Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (1966)
- Coordination de l’Appel de Strasbourg pour une paix juste au Proche Orient
http://www.eutopic.lautre.net/coordination/

© Tages-Anzeiger; 08.02.2007; Seite 9

Analyse
GES

TORNADOS FÜR AFGHANISTAN: DEUTSCHLAND IST IM KRIEG

Ein makabres Versteckspiel
Von Sascha Buchbinder, Berlin

Ich frage mich schon, ob die Politiker wissen, worüber sie im Parlament abstimmen», sorgte sich am Wochenende anonym ein Luftwaffenpilot im
Fernsehen. Anlass seiner Sorge sind die Verrenkungen der deutschen
Regierung: Der Verteidigungsminister redet von Schutz und Sicherheit,
von Kindergärten und Schulen für Afghanistan. Währenddessen üben die
Piloten, über deren Einsatz verhandelt wird, «Close Air Support», das
Bekämpfen von Bodenstellungen mit den Bordwaffen ihrer Tornados.

Wenn es um Kampfeinsätze der Bundeswehr geht, vollführt Deutschland
regelmäßig ein groteskes Theater. Das Problem ist, dass die Regierung
einerseits auf der internationalen Bühne nicht mehr nur den braven
Biedermann spielen will, der kein Blut sehen kann und lieber einfach die
Rechnung begleicht. Die Regierung möchte einen Sitz im Uno-Sicherheitsrat. Deshalb ist sie bereit, nicht mehr abseits zu stehen, wenn die Uno Truppen zusammenstellt. Andererseits besteht in der deutschen Gesellschaft Konsens,
dass Deutschland nie wieder seine Interessen mit Gewalt durchsetzen soll. Im Nahen Osten und in Gegenden, die unter den Verbrechen der Nazis zu leiden hatten, spricht noch immer vieles gegen die Entsendung deutscher Soldaten. Darüber hinaus muss jedes militärische Engagement immer gut überlegt werden: weil Leben auf dem Spiel stehen und weil sich jedes Mal die Frage stellt, ob sich das Ziel wirklich nur mit Waffen erreichen lässt. Doch darum drehen sich die
Diskussionen in Deutschland höchstens am Rande.

Beschönigende Sprache

Stattdessen haben sich die Politiker ein makabres Versteckspiel antrainiert. Sie schicken zwar Soldaten zu Uno- und Nato-Einsätzen, aber sie reden von deren Aufgaben, als ob es um humanitäre Wiederaufbauarbeiten ginge. Schon das Wort «Kampfeinsatz» führt zu einem reflexartigen Aufschrei in den Medien, weshalb Verteidigungsminister Franz Josef Jung gestern seltsame Sprechblasen absonderte. Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so tragisch wäre. Eine so krass beschönigende Sprache verhindert, dass die Tatsachen erkannt werden. In der Konsequenz ist das gleich dreifach gefährlich:

Erstens verhindert die Verschleierung eine offene Diskussion darüber, ob militärische Mittel wirklich unabdingbar sind. Indem fraglos akzeptiert wird, dass international nur jene Nationen Gewicht haben, die Soldaten stellen, wird die Konfliktlösung aus Prestigedenken einseitig und vorschnell auf militärische Aspekte reduziert. Letztlich binden dann internationale Truppen Gelder, die für zivile Projekte fehlen.

Zweitens führt der Eiertanz um die vorgeblich friedlichen Militäreinsätze dazu, dass militärisch unsinnige Mandate konstruiert werden. So geschehen im Libanon, als die deutsche Marine mit großem Trara in See stach, um die Küste zu sichern. Angeblich unterbindet sie dort den Waffenschmuggel. Dabei wissen alle, dass die Waffen über den Landweg viel einfacher zu transportieren sind. Die Marine nutzt nur der deutschen Regierung, die rein symbolisch Verantwortung übernehmen
konnte, ohne dass Soldaten einen Fuß auf libanesischen Boden setzen mussten.

Drittens führt die Politik zu einer gefährlichen Vermischung von ziviler Hilfe und militärischem Eingreifen. Es klingt zwar vernünftig, wenn Kanzlerin Angela Merkel oder ihr Verteidigungsminister betonen, dass Konflikte nicht rein militärisch gelöst werden können, und sich darum bemühen, Wiederaufbauarbeiten zu leisten. Aber wer der Armee die Arbeit von Hilfswerken aufbürdet, gefährdet langfristig die zivilen Helfer, weil der Unterschied zwischen Soldaten und zivilen Helfern verschwimmt,
wenn beide dieselben Arbeiten tun. Die Folge ist, dass in immer mehr Krisengebieten die Neutralität der unbewaffneten Helfer nicht mehr respektiert wird.

Wenn also in Afghanistan Aufklärungstornados nötig sind, sollte niemand so tun, als würden sie dort Hochzeitsfotos schießen. Kriegsgerät braucht man für den Krieg.