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„In Palästina gibt es keine Schneetage - aber Tage mit militärischer Invasion“

Was sie sagt

Lisa Suhair Majaj

Sonnabend 14. Oktober 2006

(ISM-Aktivistin beschreibt das Leben der Kinder in Palästina unter israelischer Militärbesatzung)

Sie sagte: geht nach draußen zum Spielen,
aber werft keinen Ball in die Nähe von Soldaten.

Wenn ein Jeep vorbeifährt, schaut auf den Boden
Und hebt keine Steine auf - auch nicht fürs Hüpfspiel.

Sie sagte, ärgert die Nachbarn nicht - ihr Sohn wurde letzte Nacht verhaftet.
Hängt die Wäsche auf, macht die Betten, schrubbt die Graffitis von den Wänden,
bevor die Soldaten sie sehen.

Sie sagte: es gibt kein Geld, wenn euch die Schuhe drücken, schneidet sie vorne auf.
Dies haben wir zum Essen - bis morgen gibt es nichts mehr.
Nein, wir haben keine Orangen - sie haben die Bäume abgesägt. Ich weiß nicht warum. Vielleicht haben die Bäume die Panzer bedroht.

Sie sagte: es gibt kein Wasser - wir baden erst nächste Woche wieder - so Gott will.
Bis dahin spülen wir auch die Toilette nicht.
Geht nicht in die Nähe der Olivenbäume - dort sind Siedler mit Waffen.

Nein, ich weiß nicht, wie wir die Oliven ernten werden Und ich weiß auch nicht, was wir tun werden, wenn sie die Olivenbäume zerstören werden.
Gott wird uns versorgen, wenn er will oder die UNWRA, aber sicher nicht die Amerikaner.

Sie sagte: ihr könnt heute nicht nach draußen gehen, es ist Ausgangssperre.
Geht auch nicht in die Nähe dieser Fenster; hört ihr das Schießen?
Nein, ich weiß nicht, warum die Bulldozer das Haus der Nachbarn zerstörten.
Und wenn Gott es weiß - wird er es uns nicht erzählen.

Sie sagte: heute ist keine Schule. Es gibt wieder eine militärische Invasion.
Nein, ich weiß nicht, wann sie zu Ende sein wird oder ob überhaupt.
Sie sagte: denkt nicht über die Panzer, die Flugzeuge, die Kanonen nach oder darüber, was den Nachbarn geschehen ist.

Kommt in den Flur. Hier ist es sicherer. Macht die Nachrichten aus, ihr seid zu jung dafür.

Hört zu, ich werde euch eine Geschichte erzählen, damit ihr nicht so erschreckt.
Kan ya ma kan - es war einmal ein Land, das Palästina hieß - oder gab es dies gar nicht?
Dort spielten Kinder auf den Straßen und in den Feldern, auch in den Obstgärten -
sie pflückten Aprikosen und Mandeln und machten Girlanden aus Jasmin für ihre Mütter. Und wenn einmal ein Flugzeug über ihre Köpfe flog, schrieen sie fröhlich und winkten.

Kan ya ma kan - haltet euren Kopf nach unten!

„In Palästina gibt es keine Schneetage - aber Tage mit militärischer Invasion“
(ISM-Aktivistin beschreibt das Leben der Kinder in Palästina unter israelischer Militärbesatzung)

Dieses Gedicht kam beim Kriegsgedichte-Wettbewerb 2004 in die Endrunde.
Lisa Suhair Majaj, eine amerikanische Palästinenserin, die auf Zypern lebt, sie hat Gedichte in vielen Zeitschriften ... veröffentlicht.

(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs)


"Nur dadurch, dass eine neue Gesinnung zwischen den Staaten entsteht, kommen sie
zur Verständigung und hören auf, einer dem anderen Verderben zu bringen; nur
dadurch, dass die modernen Staaten der überseeischen Welt in anderer Gesinnung
als bisher begegnen, hören sie auf, sich dort mit Schuld zu beladen".

Albert Schweitzer, Kultur und Ethik, 1923