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Haaretz, 1.10.06

Operation Frieden für die Weinkellerei

Vom Gideon Levy

Dienstag 3. Oktober 2006

Wie nennt man eine Friedensverweigerung, die für einen Krieg verantwortlich zu machen ist? Wie muss man einen Staat nennen, der nicht einmal bereit ist, mit dem Oberhaupt eines Staates am Verhandlungstisch zusammen zu sitzen, der öffentlich einen klaren Friedensvorschlag macht. Falls es noch einen positiven Gesichtspunkt zur israelischen Verweigerung gegenüber dem Vorschlag des syrischen Präsidenten gibt, dann ist es die Enthüllung der bitteren Wahrheit: Israel wünscht keinen Frieden mit Syrien - Punkt. Kein linguistischer Trick oder keine diplomatische Verdrehung kann diese eindeutige Tatsache ändern. Wir können nicht länger behaupten, dass wir Frieden mit unsern Nachbarn suchen; es geht uns nicht um Frieden. Im Nahen Osten hat sich eine neue rejektionistische/ zurückweisende Achse gebildet: die USA und Israel, die gegenüber Syrien „Nein!“ sagen. Nicht nur der Iran gefährdet den Frieden in der Region, auch Israel tut dies. Es wäre für uns das Beste, dies zuzugeben.

Der normale Menschenverstand kann dies nicht fassen und das Herz verweigert sich, zu akzeptieren, wie es möglich ist, dass ein bedeutender arabischer Staat uns mit großer Mühe ein Friedensabkommen anbietet — und wir dieses arrogant abweisen. „Es ist nicht die richtige Zeit,“ sagt der Staatsmann in Jerusalem. Mit Syrien ist es nicht die richtige Zeit. Mit den Palästinensern ist es nicht der richtige Partner. Wann ist denn die richtige Zeit? Erst nach dem nächsten Krieg? Diese Art der Verweigerung, die für das nächste Blutvergießen verantwortlich ist, ist ein Kriegsverbrechen.

Hinter der letzten israelischen Verweigerung steckt Feigheit und hinter dieser Feigheit steckt der Ministerpräsident. Ehud Olmert weiß sehr wohl, dass sich Israel eines Tages aus dem Golan zurückziehen muss, aber es fehlt ihm der Mut. Genau wie seinem Vorgänger Ehud Barak, der ganz nah am Abkommen mit Syrien war. Olmert fehlt es auch an der wichtigsten Eigenschaft, die für einen israelischen Führer erforderlich wäre - an Mut.

Besonders nach dem Fiasko des Libanonkrieges mit seinem öffentlichen Ruf, der sehr niedrig ist. Man hätte erwarten können, dass Olmert nun einen kühnen Schritt versuchen würde - verhältnismäßig einfach, wenn man ihn mit dem Frieden mit Palästinensern vergleicht. Aber Olmert hat ANGST. Vielleicht hat er Angst vor den israelischen Demonstranten außerhalb seines Hauses, vielleicht auch vor den Amerikanern, die ihre Nase rümpfen würden. Es gibt keinen ausreichenden Grund, Assads Absichten nicht wenigstens zu testen.

Was hätten wir denn zu verlieren? Nehmen wir an, Assad sei nicht bereit, sein Versprechen zu halten. Nehmen wir mal an, er sei nicht in der Lage, ein Abkommen mit Israel zu unterzeichnen. Warum ihn nicht herausfordern? Welche Haare würden denn vom Kopfe Israel fallen, wenn Olmert den syrischen Fehdehandschuh aufnehmen und zu Assad sagen würde: Treffen wir uns! Stattdessen verbietet Olmert seinen Ministern, zugunsten von Verhandlungen zu sprechen und droht ihnen, sie sogar aus der Regierung zu jagen. Olmert ist sogar noch feiger als Barak: er ist nicht einmal bereit, zum Verhandlungstisch zu kommen. Die Geschichte wird sich deshalb an ihn als an einen Ministerpräsidenten erinnern, der ein mögliches Friedensabkommen torpediert hat, das die Landkarte des Nahen Ostens (sehr zu seinen Gunsten) hätte verändern können. Dies ist ein viel schwer wiegender Fehlschlag, als einen nutzlosen Krieg im Libanon zu beginnen. Wenn der nächste Krieg mit Syrien ausbricht - ein Krieg der unendlich schwieriger werden wird als der mit dem Libanon - dann werden wir uns daran erinnern, wer für ihn verantwortlich sein wird. Da wird dann keine Untersuchungskommission mehr nötig sein.
Die Golanhöhen sind verlassen. Vielleicht ist „Das Volk mit dem Golan“, aber die Leute haben seit langem aufgehört, auf die Golanhöhen zu gehen. Während der Feiertage von Rosh Hashana sind keine Kamper oder Picknicker in dieses wunderbare Land der Golanhöhen gekommen. Wer dorthin kam, sah nur leere Straßen, Felder voller Felsen und einige Siedlungen, deren Schicksal seit langem besiegelt ist. Warum sollen wir also den Golan zu einem Kriegspreis behalten? Ist es denkbar, dass wir wegen territorialer Gier noch einen Krieg beginnen, den Krieg „Frieden für einen Weinkeller“. ( vgl. den „Frieden für Galiläa“-Krieg, 1982, R.) Genügen eine erfolgreiche Weinkellerei und eine blühende Mineralwasserfabrik, uns an ein Stück besetztes Land zu heften, das außer für seine Weintrauben und sein klares Wasser keinen Wert hat. Im Zeitalter von Raketen kann man über den Golan als strategischen Wert nicht mehr ernsthaft sprechen.

Die Golanhöhen sind trotz des Annexionsgesetzes, das international nicht anerkannt wurde, besetztes Land. Und die israelischen Siedler sind wie alle anderen Siedler. Wer entschied, dass ein Bewohner von Itamar ein extremistischer Siedler ist, während ein Bewohner von Merom Golan eine andere Art von Siedler ist - einer von uns? Irgendjemand entschied, dass im israelischen Bewusstsein die Golanhöhen als nicht besetzt gelten und seine Bewohner nicht wie die andern Siedler - das Völkerrecht verletzen. Doch dies ist ein lächerliches Wortspiel, das wir mit uns selbst spielen. So wie die Leute der Friedensgruppen die Waren der Westbanksiedlungen boykottieren sollten, so sollte dies auch mit den Waren der Golanhöhen geschehen. Sie kommen aus einem Land, das uns nicht gehört. Fragen der Moral, die hier und dort im Zusammenhang mit der Besatzung der Westbank und des Gazastreifens gestellt werden, werden nicht mit den Golanhöhen gestellt. Wer erinnert sich noch daran, dass 100 000 Menschen, die dort auf den Golanhöhen lebten, 1967 gezwungen wurden, aus ihren Häusern zu fliehen. Die Ruinen stehen noch heute auf den Golanhöhen, ihre früheren Bewohner leben aber in Flüchtlingslagern in der Nähe Damaskus’. Auch sie wollen zurück in ihr Land, während die Leute, die unter israelischer Besatzung blieben, leben unter einer wenn auch relativ erträglichen Besatzung.

In einer Situation, in der der Ministerpräsident zu feige ist, auf den syrischen Vorschlag zu reagieren, sollte ein Protestschrei von denen laut werden, die den nächsten Krieg verhindern wollen - besonders nach dem letzten Krieg. Wenn die IDF-Reservisten und der Rest der Protestbewegung etwas tun will, um den nächsten Kriege zu verhindern, und nicht nur im letzten herumwühlen will, dann sollten sie laut und deutlich schreien „Ja!“ zum Frieden mit Syrien. Syriens Bedingungen sind klar und deutlich und sogar gerecht: Frieden für Land. Und man gewinnt den Eindruck, dass es in Damaskus einen Partner gibt. Ein Treffen mit dem Außenminister von Oman ist gut für Schlagzeilen, und ein geheimes Treffen mit einem Saudi-Prinzen regt die Phantasie an, aber Frieden muss mit Syrien und den Palästinensern gemacht werden. Syrien sagt ja! - Israel sagte nein!
Aus uns wohlbekannten Gründen und aus Gründen, an die wir uns sehr wohl erinnern, gibt es keine bessere Zeit als die von Yom Kippur, um sehr darüber nachzudenken.

(dt. Ellen Rohlfs)