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Stoppt den Krieg gegen den Iran!

Vom Muriel Mirak-Weißbach

Montag 2. Oktober 2006

Warnung auf Warnung
Die Gardiner-Studie
Der „Hybrid-Krieg“
Kann der Krieg verhindert werden?


Die Lage ist ernst. Die Europäer, Rußland und China versuchen, einen Militärschlag gegen den Iran durch Diplomatie abzuwenden, aber die Regierung Bush/Cheney scheint nur auf ein Scheitern der Gespräche des iranischen Unterhändlers Ali Laridschani und des EU-Unterhändlers Javier Solana zu warten. Man könne noch „ein bißchen“ warten, aber nicht mehr lange, heißt es aus Washington.

Wenn Bush und Cheney, was Gott verhüten möge, in dem verzweifelten Versuch, die Kongreßwahlen im November zu überleben, mit einer „Oktober-Überraschung“ den Iran angreifen sollten, so wäre dies keine Überraschung mehr. Lyndon LaRouche warnte unmißverständlich, daß die kommenden zwei bis drei Wochen von weltgeschichtlicher Bedeutung sind. Inzwischen haben in Amerika zahlreiche qualifizierte Experten aus dem Militär und den Nachrichtendiensten, Aktive wie Ehemalige, Politiker und Journalisten vor einem Militärschlag gewarnt.

Warnung auf Warnung
Am 23. September veröffentlichte Gary Hart, der ehemalige Senator und demokratische Präsidentschaftskandidat, einen Artikel mit der Überschrift „Oktober-Überraschung“. Bei der Regierung Bush sollte niemand überrascht sein, wenn „Tankflugzeuge zur Betankung von B-2-Bombern verlegt werden, Kriegsschiffe mit Marschflugkörpern im nördlichen Indischen Ozean und vielleicht im Persischen Golf in Position gehen, und wenn unbemannte Aufklärungsflugzeuge und Kommandotrupps zur Zielaufklärung eingesetzt werden - letzteres geschieht bereits.“ Die Angriffsplanung umfasse „rund zwei Dutzend“ Ziele im Iran, es dürften aber mehr werden, denn man wolle den „Regimewechsel“ herbeiführen. Die Eile der Regierung Bush rühre daher, daß in den USA selbst mit den Kongreßwahlen ein „Regimewechsel“ bevorstünde.

Wenn ein hoher Offizier im aktiven Dienst vor den Folgen eines Angriffs auf den Iran warnt, dann läßt das aufhorchen. Der Londoner Telegraph veröffentlichte am 20. September die „ernüchternde Einschätzung“ von General John Abizaid, dem Chef des US-Zentralkommandos. Über die Reaktionsmöglichkeiten des Iran auf einen US-Angriff sagte Gen. Abizaid: „Erstens haben sie die nötigen Seestreitkräfte, um die Straße von Hormuz [den Zugang zum Persischen Golf] zeitweilig zu sperren und in den globalen Handel einzugreifen, wenn sie das wollen. Zweitens haben sie eine substantielle Raketenstreitmacht, die unseren Freunden und Partnern in der Region großen Schaden zufügen kann. Drittens haben sie einen recht robusten Ersatzkriegs-Terrorarm, der uns im Fall von Feindseligkeiten nicht nur im Nahen Osten Probleme bereiten könnte, sondern weltweit. Und viertens haben sie eine sehr substantielle Landstreitmacht, die zwar offensiv nicht besorgniserregend ist, aber sicher in der Lage ist, asymmetrischen Krieg zu führen.“ Abizaid weigerte sich, darauf einzugehen, ob es amerikanische Pläne für einen Angriff gebe, aber seine Warnung zielt offensichtlich darauf ab, einen solchen zu verhindern.

Auch der ehemalige Chef des größten US-Geheimdienstes NSA, General William Odom sagte, ein Angriff gegen den Iran sei „auf den Weg gebracht“. Der Irakkrieg sei die „schlimmste Niederlage“ der amerikanischen Geschichte, aber das verblasse vor dem, was bei einem Krieg mit dem Iran geschehen werde. Odom machte sein Ausführungen vor Kongreßabgeordneten, die er aufforderte, Amtsenthebungsverfahren gegen diejenigen einzuleiten, die den Krieg wollen.

Ein journalistischer Insider in Washington sagte am 22. September gegenüber EIR, die Generäle Anthony Zinni, der frühere Chef des US-Zentralkommandos, und Barry McCaffrey seien „sehr deprimiert“ über die Lage und hätten eingeräumt, daß die Dinge sich offenbar auf einen Militärschlag gegen den Iran zugewesen. Auch Joseph Cirincione, der Leiter des Nonproliferationsprojektes der Carnegie-Stiftung, habe eindeutige Signale erhalten, daß das Pentagon einen Schlag gegen den Iran vorbereite.

Schließlich brachte das angesehene Magazin Aviation Week einen langen Artikel unter der Überschrift „Die Bombe zerschlagen - USA, Israel überlegen, wie die Nuklearwaffenentwicklung des Iran verzögert werden kann“. Darin wird ausführlich erörtert, wie tief verbunkerte Anlagen zerstört werden können und was eine optimale Zielliste wäre.

Oberstleutnant a.D. Karen Kwiatkowski, die früher im Büro des Verteidigungsministers arbeitete, schrieb am 25. September, ein Angriff auf den Iran sei „nicht nur geplant, sondern bereits im Gang... Die Drückebergerfalken tun es wieder. Sie könnten einen tragischen Erfolg erringen, diesmal mit der ,Operation Schlagt den Iran’. Vielleicht ging es ja schon immer um den Iran.“

Der frühere CIA-Beamte Phil Girardi, der im Sommer 2005 die Pläne für einen Angriff auf den Iran publik machte, zitierte im American Conservative eine Reihe Militärs und Politiker, die davor warnen, daß das Weiße Haus sich für einen Krieg gegen den Iran starkmacht.

Die Gardiner-Studie
Zu denen, die warnen, daß Angriffspläne gegen den Iran nicht nur existieren, sondern sogar schon in die operationelle Phase eingetreten sind, gehört der Luftwaffen-Oberst a.D. Sam Gardiner, der in The Century Foundation einen Bericht mit dem Titel „Das Ende des Sommers der Diplomatie: Eine Einschätzung der militärischen Pläne der USA gegenüber dem Iran“ veröffentlichte.

Gardiner sagte gegenüber EIR, Außenministerin Rice habe während des Sommers - gegen den Willen Cheneys - die Erlaubnis erhalten, bei den diplomatischen Bemühungen mitzumachen. „Jetzt ist der Sommer vorüber. Die Diplomatie hatte ihre Chance, und nun scheint es, daß die diplomatischen Aktivitäten der letzten Monate nur einen Vorwand für die militärische Option liefern sollten.“

In seiner Studie vergleicht Gardiner die aktuellen Ereignisse mit den Entwicklungen, die zum Irakkrieg führten, angefangen mit den Bombenangriffen im Juli 2002 unmittelbar nach Bushs Erklärungen in Europa, die Vereinigten Staaten hätten keine Kriegspläne. Diese Bombardierungen fanden „unterhalb der CNN-Linie“ statt. „Die Autorisierung [Gewalt anzuwenden] durch den Kongreß erfolgte erst vier Monate später. Aber die Vereinigten Staaten begannen den Krieg.“ Inzwischen sei die rote Linie gezogen, denn Bush habe im März erklärt, es müsse nicht nur verhindert werden, daß der Iran sich die Bombe verschaffe, sondern auch, daß der Iran die notwendigen Kenntnisse für den Bau der Bombe erhalte. Seit 2004 seien US-Kommandos im Iran aktiv, israelische bereits seit 2003. Im vergangenen Jahr hätten die USA die Regimewechsel-Operation aktiviert, indem sie Geld für Medienpropaganda bewilligten und Kontakte zu ethnischen Gruppen wie den Balutschen, den Kurden und den Volksmudschaheddin aufnahmen.

Gardiner vermutet, daß die USA versuchen werden, eine Koalition der Willigen zu bilden, und alleine vorgehen werden, wenn ihnen dies mißlingt. Er erwartet, daß zunächst fünf Nächte lang massive Bombenangriffe gegen Nuklearanlagen durchgeführt werden, aber hinzu kämen „Enthauptungsschläge“ gegen die Regierung, um den Regimewechsel herbeizuführen.

Zur Wahl des Angriffszeitpunktes sagt Gardiner: „Zu Vorbereitungen wird gehören, daß unauffällig Tanker der Luftwaffe in die Aufmarschgebiete entsandt werden. Marineeinheiten werden in die Region verlegt. Der wichtigste Indikator werden strategische Beeinflussungsbemühungen sein, um politische Unterstützung im Inland zu gewinnen. Die Serie der Reden des Präsidenten zum Terrorismus ist ein Anfang, aber ich erwarte noch mehr... Wir werden drei Themenkomplexe haben: das Atomprogramm, Terrorismus und die Bedrohung der Existenz Israels.“

Gardiner schließt damit, daß all das nicht funktionieren wird: Es werde den USA weder gelingen, das Atomprogramm zu stoppen, noch das Regime zu stürzen. Daher sei Diplomatie der einzige gangbare Weg.

Der „Hybrid-Krieg“
Außerhalb der USA erschien ein bemerkenswerter Aufsatz über die Folgen eines Angriffs auf den Iran aus der Feder des iranischen Analytikers Dr. Abbas Bachtiar. In seiner 80seitigen Studie USA vs. Iran: Ein Hybrid-Krieg schreibt er, die USA könnten sich für eine „farbige Revolution“, einen regelrechten Putsch wie 1953 oder für einen erzwungenen Regimewechsel entscheiden, um eine ihnen genehmere Regierung im Iran einzusetzen. Nach einer Untersuchung der militärischen Optionen konzentriert sich Bachtiar auf die Antwort des Iran. Er liefert ungewöhnliche Details über die Luftwaffe, das Raketenarsenal, die Marine und die Landstreitkräfte des Iran. Und er berichtet über eine Serie von Manövern der iranischen Streitkräfte, bei denen die Abwehr eines amerikanischen Angriffes geübt wurde.

Der Iran werde bei der Führung des „Hybrid-Krieges“, wie ihn Bachtiar nennt, seine regulären Truppen und irregulären Verbände einsetzen, um sich sowohl konventionell als auch asymmetrisch zu wehren. Die reguläre iranische Armee habe 350 000 Soldaten und 350 000 Reservisten. Hinzu kommen 100 000 Soldaten des Corps der Revolutionären Garden (IRGC) sowie 100 000 Kämpfer in den Basij-Verbänden mit einer Reserve von 300 000 Mann. Schließlich gibt es noch 45-60 000 Mann der Truppen des Innenministeriums. Bachtiar betont die Kriegserfahrenheit des Iran durch den achtjährigen Krieg mit dem Irak in den 80er Jahren.

Bachtiar zitiert dann ein saudisches „Projekt zur Einschätzung der Nationalen Sicherheit“, wonach der Iran Unterstützer in der irakischen Regierung, selbst im Büro des Premierministers, und den Provinzverwaltungen mit schiitischer Mehrheit habe. Der Iran könnte Kampftruppen in den Irak schicken, um dort amerikanische und britische Truppen anzugreifen und ihre Nachschublinien abzuschneiden. In einem asymmetrischen Krieg könnte auch die Straße von Hormus gesperrt werden. Das IRGC habe eine eigene Marine mit 20 000 Mann, die über Minen, kleine und schnelle Kampfschiffe und Antischiffsraketen verfügen. „Um die Küsten von diesen Raketen zu säubern, müßten die USA den Süden des Iran besetzen. Um die [30 dem Iran vorgelagerten] Inseln zu räumen, müßten sie sie besetzen. Dazu müßten die USA zunächst die mehr als 1500 Kleinkampfschiffe des IRGC im Persischen Golf ausschalten, wozu starke Marinestreitkräfte in der Region notwendig sind - die allerdings die Straße von Hormus passieren müßten.“ Wenn es zu den Zielen des Iran gehöre, den Fluß des Öls zu unterbrechen, was Bachtiar für wahrscheinlich hält, dann könnte er mit seinen Raketen Öltanker angreifen, aber auch Ölquellen und andere Einrichtungen in Qatar, Bahrain und Kuwait, wo US-Truppen stationiert sind.

Bachtiar schließt mit der Feststellung, daß der Iran seine asymmetrische, „hybride“ Kriegsführung seit 1980 vorbereitet hat. Der Iran habe die amerikanischen Erfahrungen in Afghanistan und im Irak genau beobachtet. „Die jüngsten Militärmanöver des Iran haben gezeigt, daß das Land beabsichtigt, im Fall eines Angriffs eine der größten irregulären Streitmächte zum Einsatz zu bringen, die es je gegeben hat... Wenn es nun zum Kampf kommt, dann wird das IRGC in Afghanistan und in den irakischen Städten und Dörfern an vorderster Front stehen. Die konventionelle Armee wird defensive Stellungen beziehen, um die Heimat zu verteidigen.“ Wenn der Iran, wie er erwarte, auf einen Luftangriff damit reagiert, daß IRGC-Verbände in die Nachbarländer geschickt werden, um gegen die USA zu kämpfen, „dann werden die USA keine andere Wahl haben, als in den Iran einzumarschieren. Aber dann werden sie mit ihren 190 000 Soldaten bereits in einem asymmetrischen Krieg gegen das IRGC (und die Basij-Verbände) und dessen Verbündete im Irak und Afghanistan stehen.“ Die andere Option sei natürlich der Einsatz von Kernwaffen.

Kann der Krieg verhindert werden?
LaRouche und seine Bewegung haben in den USA und weltweit eine Mobilisierung gegen die - gut dokumentierten - Kriegspläne von Cheney und Bush eingeleitet. In der Zeit bis zu den Kongreßwahlen am 7. November drohe aus offensichtlichen Gründen die größte Gefahr. Wenn ein Militärschlag bis dahin verhindert werden kann, wachsen die Chancen, daß in Amerika nach der Wahl eine Politikwende stattfindet.

Vom Ausgang der intensiven diplomatischen Bemühungen der Europäer, mit Teheran zu einer diplomatischen Vereinbarung über das Atomprogramm zu kommen, hängt viel ab. Bei den Gesprächen zwischen Laridschani und Solana in Genf und Berlin wurde keine Einigung erzielt, aber „Fortschritte“ erreicht. Auch am Rande der UNO-Vollversammlung wurden die Bemühungen um eine diplomatische Lösung fortgesetzt. Bei allen Verhandlungen in der Iran-Frage spielt Moskau eine Schlüsselrolle. Kaum ein Tag vergeht ohne eine Erklärung des russischen Außenministers Sergej Lawrow, daß es zu früh sei, um über Sanktionen zu sprechen, die sowieso nicht funktionieren würden, und daß Rußland ein militärisches Vorgehen kategorisch ablehnt. Gleichzeitig führt Rußland bilaterale Gespräche mit dem Iran. China hat Rußlands Haltung konsequent unterstützt, jede Diskussion über Sanktionen vermieden und auf einer diplomatischen Lösung bestanden.

Neu ist, daß auch Frankreich sich auf ihre Seite gestellt hat. Präsident Chirac erklärte während der UNO-Vollversammlung, er glaube, die Verhandlungen zwischen der Sechsergruppe und dem Iran sollten ohne Vorbedingungen aufgenommen werden, d.h. ohne Teheran - wie es die USA und Großbritannien fordern - zur vorherigen Einstellung seiner Urananreicherung zu zwingen. Irans Präsident Ahmadinedschad seinerseits kündigte während der UN-Vollversammlung an, der Iran sei bereit, über alles zu verhandeln.

Wenn es den Europäern und Rußland gelingt, entweder einen „Durchbruch“ bei den „5+1“-Gesprächen erreichen oder wenigstens weitere Fortschritte zu machen, heißt das noch nicht, daß Bush und Cheney deshalb ihre Irankriegspläne aufgeben werden. Aber es wird politische Bedingungen in den USA und international schaffen, die es ihnen entscheidend erschweren, sie weiterzuverfolgen. Die einzige Garantie dafür, daß ein Krieg vermieden werden kann, ist letztlich die Entfernung der gesamten Cheney-Bush-Rumsfeld-Kabale aus dem Amt. Deshalb forderte LaRouche in seiner Erklärung ihre sofortige Absetzung.

Muriel Mirak-Weißbach