Startseite > Rubriques > Languages - International > Deutsch > " Offener Brief "an den deutschen Aussenminister

" Offener Brief "an den deutschen Aussenminister

von Guenter Schenk

Montag 24. Juli 2006

Sehr geehrter Herr Minister Steinmeier,

es hieß, gestern abend im Radio, Sie seien aufgebrochen zu einer schwierigen Mission, nach Tel-Aviv, zu Gesprächen mit Ihrem israelischen Gegenpart...

es hieß, heute morgen im gleichen Sender, dem Deutschlandfunk, Sie führten Gespräche, mit Ihrem israelischen Konterpart, nun nicht mehr in Tel-Aviv, aber
in Jerusalem

Da bereits wird der aufmerksame Hörer, Leser stutzig. Ist es nicht Jerusalem, welches entgegen dem erklärten Willen der Völkergemeinschaft, in zahlreichen Resolutionen seit 1967 (!) vom jüdischen Staat zur Hauptstadt erklärt wurde.

Völkerrechtswidrig! Nun fühlen Sie, unser Außenminister, sich vielleicht den internationalen Regeln nicht mehr
verpflichtet, nun, da auch die US-Anführerschaft Völkerrecht mit Füßen zu treten gelernt hat.

Aber partnerschaftliche Gespräche zwischen Außenministern unserer zwei Staaten können allemal in Tel-Aviv, dem
Sitz unserer Botschaft stattfinden. Ohne protokollarische Propleme zu verursachen.

Ja, es ist (war) gewiss eine schwierige Mission, Ihre Reise nach Tel- Aviv - pardon, nun doch Jerusalem - wenn die Gesprächspartner taube Ohren haben, gar keinen Frieden wollen, auf jeden Fall erst dann, wenn es sich um einen Friedhofsfrieden handelt.

Wäre es da nicht ein Zeichen staatsmännicher Kunst gewesen, die Reise, mangels Gesprächsbereitschaft
in der Hauptsache, einem sofortigen Waffenstillstand, abzubrechen?

Sicher, mit Frau Merkel wäre es zu Problemen gekommen, aber, was ist wichtiger: Frau Merkel oder der Friede?

Ganz sicher bin ich, dass Geprächspartner aus Deutschland in Damaskus weniger Widerstand, größere, nicht nur diplomatische, Höflichkeit erfahren werden. Es wird Ihnen ja berichtet werden und die Republik wartet gespannt auf die Erhellungen, beiderseits, aus Damaskus und aus
Tel-Aviv/Jerusalem. Lassen Sie uns dann bitte urteilen: wo die Partner für deutsche Politik sind.

Wo der größere Friedenswille zu orten ist, in Tel-Aviv oder in Damaskus...

Nun kommen heute sehr beängstigende Meldungen aus den Hauptstädten, auch aus den völkerrechtswirig, gegen den erklärten Willen der Völkergemeinschafft deklarierten:
Die NATO also soll es richten! Die NATO? Sie soll also in Zukunft die Kriege Israels führen?

Europäer sollen, so wollen es die Führer des zionistischen Staates, zu Beginn des 21. Jahrhunderts erneut in der Levante zu einer Kolonialmacht wiedererstehen?

Israel, solange es mit seinen eigenen Ureinwohnern keinen
verlässlichen Frieden geschlossen, den von seinen Terrorgruppen und der daraus entstandenen Armee
Vertriebenen keine Genugtuung verschafft, d.h. das Rückkehrrecht nach Vorgabe der Vereinten Nationen
(1948) geleistet hat, Israel, mit seinem weiterhin anhaltenden Kolonisierungswillen eroberten Landes, Willen zu Land- und Wasserdiebstahl, soll der Rücken gestärkt werden durch europäische Soldaten? Wie soll unter diesen Umständen die NATO Frieden schaffen?

Und dabei sollen Europäer, möglicherweise auch Deutsche, die Streitmacht stellen als Freibrief zur Durchsetzung imperialer Gelüste im Süden Libanons? Das darf nicht
wahr werden.

Sie, sehr geehrter Herr Steinmeier, dürfen dafür nicht die Verantwortung übernehmen, so groß der Druck aus
Washington, vielleicht auch Paris, das vielleicht immer noch eine kleine Rechnung in der Levante offen zu haben glaubt, sein mag.

Da gibt es aber noch ein kleines Problem: ist es, war es bisher, nicht immer so, dass zur Dislozierung von Friedenstruppen beide Konfliktparteien einverstanden sein müssen?

Israel hat naturgegeben nichts dagegen, wenn fremde Truppen auf dem Gebiet eines souveränen Nachbarstaates
Wächteraufgaben übernimmt. Schließlich würden damit die Europäer zu Komplizen als Besatzer.

Für Israel geradezu eine Wunschvorstellung!

Wie aber ist es mit dem souveränen Libanon? Liegt seitens dessen Regierung eine Bitte um Nato-Truppen auf seinem Staatsgebiet vor? Sie wissen, sehr geehrter Herr Steinmeier, dass Hamas eine sowohl im Parlament wie auch in der Regierung vertretene ordentliche Partei ist.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass aus dieser Regierung die Forderung auf Dislozierung von NATO-Truppen kommen. Gerade erst kürzlich wurde aufgrund durchsichtiger Forderungen aus dem Westen Syrien gezwungen, seine traditionelle Schutzmacht-Funktion über Libanon zurückzuziehen, obwohl
es vor wenigen Jahren vom Westen geradazu händeringend um Wahrnehmung dieser gebeten wurde

So viel muss jeder deutsche Politiker, auf jeden Fall jeder deutsche Außenminister, von der Vergangenheit gelernt haben: Frieden in Nahost ist zuallererst und allein dadurch möglich, indem den Betroffenen, d.h. den bisher geschädigten Palästinensern, Syrern, Libanesen Genugtuung
verschafft ist. Nicht durch deutsche oder europäische Truppen, nein, Genugtuung vom Invasoren, vom Landnehmer und Angreifer: Israel.

Erst dann wird ein gedeihliches Neben- und Miteinander der Staaten der Levante möglich sein.

Es wird möglich sein, dann mit unserer Hilfe, unserem Know-how und der Bereitschaft zu Partnerschaft. Eine Rekolonialisierung, wie in Tel-Aviv und Washington angedacht, wird nur neues Unheil, dauerhaften Unfrieden, bis in unser Land hinein bewirken.

Bitte nehmen Sie Ihre epochale Verantwortung wahr, sehr geehrter Herr Minister Steinmeier.

Wir, unser Land, die Menschen in Nahost, haben es verdient und brauchen keine „Neuen Starken Männer aus Europa“

hochachtungsvoll
Günter Schenk
5, rue des cigognes
F-67930 Beinheim
- membre du Collectif judeo-arabe et citoyen pour la paix,
- Sprecher des Aktionsbündnis für einen gerechten Frieden in Palästina
- Mitglied der Deutsch-Arabischen Gesellschaft
- Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
(Parteieintritt 1966)