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Von: Egidia Beretta Arrigoni / Vittorio Arrigonis Mutter – Il Manifesto

„Vittorio war nie so lebendig wie jetzt“

Lundi, 18 avril 2011 - 6h52 AM

Montag 18. April 2011

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Muss man sterben, um ein Held zu werden, um auf die Titelseite der Zeitung zu kommen, dass die Zuschauer den Fernseher sogar mit nach draussen nehmen, oder muss man sterben, um menschlich zu bleiben?

Ich erinnere mich an den Vittorio an Weihnachten 2005, als er im Ben Gurion Flughafengefängnis eingesperrt wurde, an die Narben der Handschellen, die ihm den Puls abgeschnürt haben, die Kontakte zum Konsulat, die verwehrt wurden und die Verhandlung, die eine Farce war. Und ich denke auch an das Ostern im selben Jahr, als Vittorio an der jordanischen Grenze, direkt hinter der Allenby-Brücke von der israelischen Polizei gestoppt wurde, um ihn an der Einreise nach Israel zu hindern. In einem Bus wurde er von sieben Polizisten, darunter eine Frau, „kunstfertig“ zusammengeschlagen, also ohne sichtbare äussere Anzeichen. Wahre Experten die sie sind, haben sie ihn mit dem Gesicht nach unten auf den Boden geworfen, und ihm, als letzte Gemeinheit, noch die Haare mit ihren schweren Stiefeln ausgerissen.

Vittorio war persona-non-grata in Israel. Zu subversiv hatte er ein Jahr zuvor mit seinem Freund Gabriele und den Frauen und Männern aus dem Dorf Budrus an der Klagemauer demonstriert, hat ihnen unser schönstes Partisanenlied „Bella ciao, ciao…“ beigebracht und es mit ihnen dort gesungen.

Damals habe ich nicht ferngesehen, nicht einmal im Herbst 2008, als ein israelisches Kommando das Fischerboot in palästinensischen Gewässern in der Nähe von Rafah überfallen hat und Vittorio in Ramle ins Gefängnis gesperrt und anschliessend in Gefängniskleidung und Pantoffeln nach Hause geschickt wurde.

Nun kann ich nicht umhin, mich bei der Presse und dem Fernsehen bedanken, dass wir mit Umsicht angesprochen wurden, dass unser Haus respektvoll und ohne Ausschreitungen „belagert“ wurde und ich die Gelegenheit hatte, über Vittorio und seine Ideale zu sprechen.

Dieser verlorene Sohn, der vielleicht nie so lebendig war wie jetzt, sowie auch der Samen in der Erde gedeiht und wieder stirbt, wird viele Früchte tragen. Das sehe und höre ich in den Worten der Freunde, vor allem den jungen Menschen, manche ganz nah, andere aber auch ganz fern, die durch Vittorio erfahren und verstanden haben, wie man dem „Utopia“ Leben einhauchen kann, indem man diesen Hunger nach Gerechtigkeit, Frieden, Brüderlichkeit und Solidarität lebt. Und, wie Vittorio sagte, „Palästina kann auch direkt vor unserer Hautür sein“.

Wir waren weit weg von Vittorio, aber doch so nah wie nie zuvor.

Jetzt, mit seiner lebendigen Präsenz, die von Stunde zu Stunde wächst, ist er wie ein Wind aus Gaza und seinem geliebten Mittelmeer, der uns seine Hoffnungen und Liebe zu den Menschen ohne Stimme, zu den Schwachen und den Unterdrückten herüberweht und uns Zeugnis ablegt.

Restiamo umani"

Übersetzung aus dem Italienischen sowohl ins Deutsche als auch ins Englische von Sabine Stoehr